Konzeption der Kindertageseinrichtung der Religionen Pforzheim - IRENICUS
(beschlossen auf der Gesellschafterversammlung am 22.07.2019)
Das Anderssein der anderen
als Bereicherung des eigenen Seins begreifen;
sich verstehen,
sich verständigen,
miteinander vertraut werden,
darin liegt die Zukunft der Menschheit.
(Rolf Niemann)
ZIELE
Kinder verschiedener Religionen begegnen sich in der Kindertagesstätte gleichberechtigt. Die Inhalte, Symbole, Rituale und Feste verschiedener Religionen sind für die Kinder sichtbar und erfahrbar. Sie entdecken die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der Religionen und lernen, über religiöse Fragen zu kommunizieren. Dadurch erwerben sie eine Sprachfähigkeit, die über die eigene Religionsgemeinschaft hinaus reicht. Indem die Kinder die Werte und Ausdrucksformen verschiedener Religionen erfahren können, lernen sie, mit religiöser Vielfalt selbstverständlich umzugehen. Sie werden darin bestärkt, Offenheit und Achtung anderen Religionen und Überzeugungen gegenüber zu entwickeln. Dadurch entwickeln die Kinder Vertrauen in das Leben auf der Basis von lebensbejahenden religiösen und weltanschaulichen Grundüberzeugungen. So werden sie in der Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft bestärkt. Dadurch fördern wir die Kinder in ihrer Entwicklung zu verantwortlichen Mitgliedern in unserer pluralen Gesellschaft.
TRÄGERSCHAFT
Die Trägerschaft ist religiös vielfältig zusammengesetzt. Alle Religionsgemeinschaften, die im Trägerverbund vertreten sind, haben ein Anrecht darauf, dass ihre religiöse Praxis im Kitaalltag berücksichtigt wird. Nicht im Trägerverbund vertretene Religionsgemeinschaften können nach Trägerentscheidung durch externe Fachkräfte einbezogen werden.
BILD VOM KIND
Ein Kind will die Welt und sich selbst entdecken und verstehen. Es will sich ausdrücken und verständigen. Es will mit anderen leben, spielen und lernen. Es will sich ausprobieren und zeigen, was es kann. Dazu braucht es Anerkennung und Wohlbefinden, eine Umgebung und Menschen, die ihm Geborgenheit und Liebe geben und es sich als selbstwirksam erfahren lassen. Jedes Kind hat ein Recht auf Religion und es hat das Recht auf seine eigene Religion. Es hat das Recht auf eine lebensbejahende religiöse Erziehung und Bildung, die dazu beitragen, die Lebensbewältigungskompetenzen (Resilienz) zu fördern. Eine solche Erziehung befähigt dazu, respektvoll und wertschätzend Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Religionen wahrzunehmen und diese anzuerkennen. Pluralitätskompetenz zielt dabei auf die Fähigkeit, anderen Religionen zu begegnen. Diese Begegnung lebt vom persönlichen Kennenlernen, vom Verständnis des anderen und von einem achtungsvollen Miteinander. Die Begegnung mit anderen Religionen führt dazu, das Geschenk der eigenen Religion neu zu entdecken. Das Kind erfährt die verbindenden Werte wie Friede, Gerechtigkeit und Erbarmen als Bestandteil des täglichen Miteinander-Seins. (1)
PÄDAGOGISCHE UMSETZUNG
Um eine Vielfalt der Religionen durch die Kita und durch die Gestaltung der Räume abbilden zu können und um eine Kontinuität in der Betreuung zu ermöglichen und Brüche in der Bildungsbiographie zu vermeiden, ist eine Einrichtungsgröße von mindestens 3 Gruppen für Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren vorgesehen.
Da die unterschiedlichen religionspädagogischen Angebote für alle Kinder im Sinne einer religiösen Gastfreundschaft zugänglich sein sollten, favorisieren wir ein teiloffenes Konzept, welches für ältere Kinder mehr und mehr geöffnet werden sollte. Die Umsetzung eines offenen, bzw. teiloffenen Konzeptes fördert die Autonomie und Partizipation der Kinder und stellt das Kind als Konstrukteur seiner Welt in den Mittelpunkt. So sollen Themen der Kinder (auch Fragen zum Thema Religion und Glauben) situations- und alltagsorientiert aufgegriffen und gemeinsam bearbeitet werden. Hierbei werden Bildungsgelegenheiten eröffnet, um die Vielfalt der Religionen und ihre Unterschiede kennenzulernen sowie einen religionssensiblen Umgang miteinander einzuüben. Durch religiös gebundene Fachkräfte, die als Vorbilder ihre Religionen leben, können die Kinder mit unterschiedlichen Religionen und den dazugehörigen Ritualen vertraut werden. Im Kern stehen dabei die religiöse Beheimatung in der eigenen Religion und das Erleben von Gemeinschaft in Vielfalt.
Religionspädagogik hat im Alltag der Einrichtung seinen gesicherten Ort. Die religiösen Rituale und Jahresfeste sind dabei grundsätzlich gleichrangig zu behandeln. In welchem Rahmen die Rituale gelebt und Feste gefeiert werden, wird durch die Interessen aller in der Kita Beteiligten festgelegt. (2)
ZUSAMMENARBEIT MIT DEN FAMILIEN
Die Erziehungsberechtigten werden im Aufnahmegespräch auf die religionspädagogische Konzeption der Kita hingewiesen und stimmen dieser im Vertrag ausdrücklich zu. Zusätzlich werden die Eltern auf die spezifischen religiösen Bedürfnisse ihrer Kinder angesprochen. Den Erziehungsberechtigten wird zugesagt, dass ihre Kinder in der Einrichtung in der Entwicklung ihrer eigenen religiösen Identität unterstützt werden. Es ist gewünscht, dass Eltern mit den Fachkräften im Austausch über die religiöse Praxis in der Familie sind.
RÄUMLICHE VORAUSSETZUNGEN
Im Zentrum der Einrichtung steht der Marktplatz: Er signalisiert als öffentlicher Ort das religionssensible Profil der Kita und ist zugleich Ort der Begegnung. Hier zeigen sich die Willkommenskultur sowie die Vielfalt von Religionen in dieser Einrichtung.
Der Marktplatz dient auch als Mehrzweckraum für Veranstaltungen mit allen Kindern und Familien.
Um den Marktplatz herum sind die Gruppen- und Funktionsräume angeordnet. In der Halle befindet sich eine Cafeteria mit einer gemütlichen Sitzgelegenheit und Informationstafeln. Hier können sich z.B. Eltern informieren, ins Gespräch kommen oder einfach aufhalten. Die Arbeit mit den Eltern und die Begegnung mit ihnen hat ein großes Gewicht zur Entwicklung des Profils der Kita. Dafür steht ein geeignetes Raumangebot zur Verfügung.
FACHKRÄFTE
Ziel ist es, Fachkräfte unterschiedlicher Religionen einzustellen. Alle in der Trägerschaft vertretenen Religionen müssen sicherstellen, dass ihre Geistlichen oder religiös kundigen Mitglieder bei der religiösen Bildung in der Einrichtung mitwirken. Ist eine Religionsgemeinschaft nicht durch eine festangestellte Fachkraft vertreten, können Möglichkeiten des Begegnungslernens mit autorisierten Vertreter/innen dieser Religionsgemeinschaft eröffnet werden. Dies gilt auch für Religionen, die nicht im Trägerkreis vertreten sind, sofern es vom Träger befürwortet wird.
Für die Vor- und Nachbereitung wird dem Team ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt.
Die Teammitglieder haben und erwerben insbesondere Pluralitätskompetenz, Gender-Kompetenz und Konfliktlösungs-Kompetenz. Zudem benötigen sie eine besondere Qualifikation für religionssensible Begleitung und religiöse Bildung.
Es ist von zentraler Bedeutung nach innen und nach außen, dass die Leitung und ihr Team den religiös vielfältigen Charakter der Einrichtung widerspiegeln.
VERNETZUNG
Die Kita ist gut vernetzt mit den religiösen Gemeinschaften der Stadt und nutzt unter fachlicher Begleitung das vielfältige religiöse Leben und die Angebote der Religionsgemeinschaften.
QUALITÄTSENTWICKLUNG UND -SICHERUNG
Die Teammitglieder werden in den Bereichen Fachlichkeit, Religionspädagogik und Teamentwicklung dauerhaft weiterqualifiziert.
Die pädagogische Konzeption wird regelmäßig überprüft. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in die Konzeption eingearbeitet. Die Kita versteht sich als lernende Einrichtung und stellt ihre Erfahrungen anderen zur Verfügung. Unterstützt wird dies durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit.
Anmerkungen:
(1) siehe Dr. Norbert Ittmann, S. 37ff, Vielfalt leben – Profil gewinnen; Diakonie Positionen, BETA 2002
(2) Ansonsten werden die Leitlinien der Handreichung zur Umsetzung von „Sinn, Werte und Religion in Kindertageseinrichtungen. Ein Beitrag zur Orientierungsplans 2011 berücksichtigt.
Pforzheim, April 2019